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Landesverband der Schwerhörigen und Ertaubten Baden-Württemberg e.V.

Wege zum Hörgerät

Versicherte haben Anspruch auf Hörhilfen. Die Krankenkasse übernimmt dafür - wenn die medizinischen Voraussetzungen gegeben sind - jedoch oft nur den Festbetrag. Hörgeräte können jedoch weitaus teurer sein als die sogenannten „Kassengeräte“ und nicht jeder kann sich ein solches High-End-Gerät leisten. Mittlerweile bereits ältere Gerichtsurteile haben Exempel statuiert, dass hochgradig schwerhörige Menschen Anspruch auf höherwertige Hörgeräteversorgung haben, wenn sie mit diesem Gerät ein nachweislich besseres Sprachverständnis haben und entsprechend die Kosten dafür übernommen werden müssen. Das nachzuweisen ist jedoch schwierig und nach wie vor gibt es kein Schema F, das eine volle Kostenübernahme der Hörgeräte garantiert.

Leicht- bis mittelgradig schwerhörige Personen können hingegen nicht auf eine volle Kostenübernahme durch die Krankenkassen hoffen. Wer sich für ein höherwertigeres  Hörgerät entscheidet, muss entweder selbst drauf legen oder, wer das nicht kann, sich ggf. doch mit einem Kassengerät anfreunden. Heute gibt es auch gute Kassengeräte, die man z. B. durch den Einsatz von drahtlosen Kommunikationsanlagen noch weiter upgraden kann.

Eine Möglichkeit gibt es noch: Aufgrund der beruflichen Tätigkeit kann ein beruflicher Mehrbedarf bestehen, z. B. bei Erzieherinnen im Kindergarten, wo ein sogenanntes „Kassengerät“ durchaus an seine Grenzen kommt. In diesem Fall kann man versuchen bei der Rentenversicherung die Übernahme der Kosten zu beantragen. Einfach wird es aber auch hier nicht.

Probieren kann man es trotzdem, gegenüber der Krankenkasse mit guten Argumenten zu punkten. Wichtig ist dabei, dass man auch zuzahlungsfreien Hörgeräten von Anfang an eine Chance gibt. Mindestens zwei davon sollten getestet werden und zwar mindestens drei bis vier Wochen. Insgesamt sollte man mindestens 4 Hörgeräte testen, bevor man sich für eines entscheidet. Ein so genanntes Hörtagebuch kann dabei helfen, die Höreindrücke standardisiert festzuhalten. Hörempfinden ist etwas sehr individuelles und subjektives. Wer jedoch bereit ist, diesen Aufwand zu betreiben, hat auch die Chance, eine volle Kostenübernahme durch die Krankenkasse oder andere Träger zu erwirken.

Generell gilt jedoch, dass der Weg zum Hörgerät individuell unterschiedlich ist. Wer wirklich auf eine volle Kostenübernahme hinarbeitet, der ist gut beraten, sich einen Anwalt für Sozialrecht zu suchen. Generell würden wir sagen, wer die volle Kostenübernahme will, der sollte das von Anfang an wissen und nicht erst, wenn er/sie eine Rechnung vom Hörakustiker bekommt.

Die Frage, was die eigene Gesundheit dem Einzelnen wert ist, ist streitbar. Jedoch haben wir manchmal das Gefühl, dass Versicherte beim Hörgerät weniger gerne einen Aufpreis aus eigener Tasche zahlen wollen, auch wenn sie könnten. Gutes Hören trägt erheblich zur Gesundheitsprävention bei. Je früher man sich mit Hörgeräten versorgen lässt, desto länger kann unter Umständen das Hörniveau gehalten werden. Jahrelanges zögern hat oft nur zur Folge, dass das Hören noch schlechter wird – was wiederum weitreichende psychische Folgen haben kann.

Hier wollen wir einen Leitfaden an die Hand geben, wie man zum Hörgerät kommt.

1.      Ab wann man ein Hörsystem benötigt, kann der Einzelne manchmal nur schwer einschätzen. Es ist daher immer empfehlenswert, einen Hörtest zu machen. Den kann man entweder beim HNO-Arzt, oder beim Hörakustiker machen. Theoretisch muss man nicht sofort zum HNO-Arzt, um sich ein Hörgerät verordnen zu lassen. Man kann auch erst einmal bei den Akustikern anfangen zu testen und die Verordnung dann später nachreichen. Eine erste Abklärung beim HNO-Arzt ist dennoch zu empfehlen.

2.      Wenn Sie zuerst beim HNO-Arzt waren, dann gehen Sie zunächst nur mit einer Kopie der Hörgeräte-Verordnung zu Ihrem Hörgeräteakustiker. Sollten Sie im Verlauf der Testphase den Akustiker wechseln wollen, ist dies mit einer Kopie einfach möglich. Generell benötigen Sie aber zunächst keine Verordnung um sich vom Hörgeräteakustiker beraten zu lassen. Eine HNO-ärztliche Verordnung für Hörgeräte ist nur 28 Tage gültig. Da die Testphase von verschiedenen Hörsystemen jedoch deutlich länger dauern sollte, muss am Ende erneut eine Verordnung eingeholt werden.

3.      Achten Sie darauf, dass ihr Hörgeräteakustiker Sie gut berät. Formulieren Sie genau ihre Erwartungen an ihr Hörgerät. Wollen Sie von Anfang an nur  zuzahlungsfreie Geräte testen, müssen Sie das dem Akustiker ausdrücklich mitteilen. Gute Beratung können Sie z. B. daran erkennen, dass der Hörgeräteakustiker Sie wertfrei über die Möglichkeiten einer Telefonspule in den Hörgeräten aufklärt.  

4.      Testen sie jedes Gerät mindestens 3 – 4 Wochen. Das Gehirn benötigt Zeit, um das neue Hören zu verarbeiten. Nach einigen Wochen kann man dann sagen, ob es das Richtige ist. Oftmals gibt es bei Hörgeräten auch so etwas wie „Liebe auf den ersten Ton“, und man weiß sofort, dass es das richtige Gerät ist. Notieren Sie sich bei jedem Gerät ihre Hörerfahrungen z. B. in einem Hörtagebuch. Notieren Sie sich dabei immer dieselben Situationen und wie sie dabei gehört und vor allem auch Sprache verstanden haben. Neben den objektiven Messungen, die der Hörgeräteakustiker durchführt, sind auch die subjektiven Wahrnehmungen wichtig, denn die können bei jedem Menschen anders sein und das Sprachverstehen beeinflussen. Bei jedem Gerät sollte der Hörgeräteakustiker abschließende Tests machen, in denen das Sprachverstehen dokumentiert wird.

5.      Sie haben sich für Geräte entschieden. Spätestens jetzt sollten sie eine HNO-ärztliche Verordnung für Hörgeräte haben und diese dem Hörgeräteakustiker aushändigen. Reichen Sie den Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers bei der Krankenkasse ein und warten  Sie auf den Bescheid der Krankenkasse.

6.      Wenn die Krankenkasse nur einen Teil der Kosten übernehmen will – den sogenannten Festbetrag oder Vertragspreis – dann haben Sie zwei Möglichkeiten:

a) Sie bezahlen den Differenzbetrag zum Festbetrag selbst,

b) Sie legen Widerspruch ein und bestehen auf die volle Kostenübernahme durch die Krankenkasse bzw. einem anderen Rehabilitationsträger wie die Rentenversicherung. Wichtig: spätestens hier sollten Sie sich einen Anwalt für Sozialrecht suchen, der Erfahrung mit der Durchsetzung von Kostenübernahmen von Hörsystemen hat. 

7.      Wenn Sie sich für ein höherwertiges Hörsystem entschieden haben, dessen Kosten über dem Festbetrag liegen, dann stellt der Hörgeräteakustiker Ihnen eine Rechnung in Höhe der Mehrkosten aus (Differenz Festbetrag zu Rechnungsbetrag). In der Regel wird Ihr Hörgeräteakustiker Sie eine Mehrkostenerklärung unterschreiben lassen. Diese ergänzen Sie dann (wenn dies für Sie zutrifft) mit folgendem Satz: "Auf Erstattungsansprüche gegenüber meiner Krankenkasse oder ggf. gegenüber anderen Rehabilitationsträgern verzichte ich hiermit nicht!".

8.      Bei entsprechenden beruflichen Tätigkeiten kann auch noch ein anderer Kostenträger als die Krankenkasse zuständig sein, die dann die Mehrkosten übernehmen kann. In dem Fall kann die Krankenkasse den Antrag an den entsprechenden Kostenträger weiterleiten. Dieser Weg ist jedoch erfahrungsgemäß ein schwieriger und nicht einfach durchzusetzen.

9.      Unterschreiben Sie beim Hörgeräteakustiker keine Verzichtserklärungen, in denen etwa steht, dass Sie auf die Erprobung von Zuzahlungsfreien Hörsystemen verzichten. Geben Sie diesen eine ehrliche Chance. Tipp: Bitten Sie den Hörgeräteakustiker, Ihnen vor dem Testen nicht zu sagen, in welchem Preissegment sich das Hörsystem bewegt.

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